GAZA-KRIEG
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Nach Blockade: Israel lässt fünf Lkw in den Gazastreifen
Erstmals seit Anfang März lässt Israel einige Lkw mit Hilfsgütern die Grenze nach Gaza passieren. Laut UN-Nothilfekoordinator Fletcher „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Indes weitet Israels Militär seine Invasion weiter aus.
Nach Blockade: Israel lässt fünf Lkw in den Gazastreifen
Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels, 20.05.2025 / Foto: Amir Cohen/Reuters
20. Mai 2025

Nach einer fast dreimonatigen israelischen Blockade sind offenbar erstmals wieder Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen angekommen. Fünf Lastwagen mit Hilfsgütern hätten das Küstengebiet nach einer gründlichen Sicherheitskontrolle über den Grenzübergang Kerem Schalom erreicht, teilte die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat mit. Mehrere Geberländer forderten, dass Israel die Hilfslieferungen wieder in deutlich größerem Umfang zulassen müsse.

Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen gelassen. Das Land wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Beweise dafür legte die israelische Regierung nicht vor. Am Sonntag hatte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu überraschend angekündigt, wieder Hilfslieferungen in das Gebiet zuzulassen.

Die Grundversorgung mit Lebensmitteln erfolge auf Empfehlung der Armee und um sicherzustellen, dass es zu keiner Hungersnot komme, hieß es in der Erklärung. In seiner Videoansprache betonte Netanjahu zudem, dass die Entscheidung, wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen, getroffen worden sei, da dies zur Sicherung der internationalen Unterstützung wichtig sei.

Laut UN-Angaben droht Hunderttausenden Menschen in Gaza der Hungertod, falls nicht sofort benötigte Hilfsgüter geliefert werden. Vor dem Krieg hatten noch rund 500 Lkw täglich den Grenzübergang Kerem Schalom mit Gütern nach Gaza überquert. 

Der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe verstößt gegen das Völkerrecht und gilt als Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Entscheidung auf Druck von Verbündeten

Israels „beste Freunde in der Welt“ hätten ihm jede Hilfe zur Erreichung der israelischen Kriegsziele zugesagt, allerdings seien für sie die „Bilder des Hungers, des Massenhungers“ unerträglich, sagte er. Vor allem der Druck aus den USA dürfte Netanjahu zur Aufhebung der Blockade gebracht haben. 

Aus Netanjahus rechtsreligiöser Regierungskoalition hatte es zuvor heftige Kritik an der Entscheidung gegeben. Israels Staatspräsident Izchak Herzog lobte die Entscheidung des Sicherheitskabinetts. Sie sei entscheidend, „damit wir in dieser Tragödie unsere Menschlichkeit bewahren können“. 

In einer Videoansprache hatte Israels Regierungschef am Vormittag betont, dass zunächst nur eine minimale Menge an Lebensmitteln in das Gebiet kommen werde. In der Mitteilung der Cogat-Behörde hieß es, unter den nun in den Gazastreifen gelieferten Hilfsgütern sei unter anderem Babynahrung.

Hilfsgüter wie Mehl und Treibstoff erwartet 

Künftig sollen Hilfsgüter wie Mehl, Babynahrung und Treibstoff israelischen Medienberichten zufolge zunächst wie zuvor mit Hilfe internationaler Organisationen in den abgeriegelten Küstenstreifen kommen, bis Ende des Monats ein geplanter neuer Mechanismus der Verteilung vor Ort umgesetzt wird.

Berichten zufolge sollen Güter dann nur noch von wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. Die UN hatte den neuen Mechanismus kritisiert, unter anderem weil Zivilisten auf dem Weg zu den Verteilungszentren ins Kreuzfeuer geraten und etwa Alte und Kranke diese erst gar nicht erreichen könnten. Netanjahu betonte, dass die ersten Zentren in den kommenden Tagen ihren Betrieb aufnehmen würden. 

Die Verteilungszentren sollen laut der „Times of Israel“ in einer neuen „humanitären Zone“ in der Gegend der Stadt Rafah im Süden des Gebiets errichtet werden. Menschen, die diese Zone betreten, würden vorher von Israels Armee kontrolliert, hieß es. Das israelische Militär wolle auf diese Weise verhindern, dass Mitglieder der Hamas das Gebiet betreten. 

Geberländer fordern umfassende Hilfen für Gazastreifen

In einem gemeinsamen Appell forderten die Außenminister von Deutschland und rund 20 weiteren Geberländern Israel auf, deutlich mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu erlauben. „Ermöglichen Sie den Vereinten Nationen und den humanitären Organisationen, unabhängig und unparteiisch zu arbeiten, um Leben zu retten, Leiden zu lindern und die Würde zu wahren“, heißt es in dem vom Auswärtigen Amt in Berlin veröffentlichten Schreiben. Die Verfasser kritisierten zudem den neuen Mechanismus. Dieser untergrabe die Rolle und die Unabhängigkeit der UN und der zuverlässigen Partner und verknüpfe humanitäre Hilfe mit politischen und militärischen Zielen.

Auch nach Worten des UN-Nothilfekoordinators Tom Fletcher sind die neuesten Lieferungen „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Nach Angaben der UN hatten insgesamt neun Lastwagen die Erlaubnis durch die israelischen Behörden erhalten, in den Gazastreifen zu fahren. 

Israels Großangriff dauert an

Vor wenigen Tagen hatte Israels Armee eine neuen Großangriff im Gazastreifen begonnen. Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe massive Angriffe auf bereits zerstörte Gebiete. Inzwischen fallen dort auch immer mehr Bodentruppen ein. In den vergangenen Wochen wurden an mehreren Tagen jeweils Dutzende Tote täglich aus dem Gazastreifen gemeldet – teils mehr als hundert. Nach örtlichen Angaben handelt es sich dabei größtenteils um Frauen und Minderjährige.

Israels Armee kündigte zudem einen „beispiellosen Angriff“ auf die Stadt Chan Yunis im Süden des Küstengebiets an. Anwohner wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen.

Das israelische Militär will in dem Gebiet eigenen Angaben nach gegen Widerstandskämpfer vorgehen. Chan Yunis ist die zweitgrößten Stadt im Gazastreifen. Ein Armeesprecher behauptete, das Militär wolle die Zivilbevölkerung zu ihrer Sicherheit aus Gefahrenzonen herausholen. Menschenrechtsorganisationen sehen darin hingegen eine systematische Zwangsvertreibung.

Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet. 

Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 53.300 Menschen getötet und rund 119.800 weitere verletzt. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich demnach um Frauen und Kinder.

QUELLE:TRT Deutsch und Agenturen
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