Wie sich Irans Wirtschaft in den letzten 20 Jahren verschlechtert hat
Trotz reicher Rohstoffe und strategischer Lage hat der Iran in 20 Jahren deutlich an wirtschaftlicher Stärke verloren – geprägt von Inflation, Arbeitslosigkeit, Investitionsmangel und Isolation.
Wie sich Irans Wirtschaft in den letzten 20 Jahren verschlechtert hat
Wie sich Irans Wirtschaft in den letzten 20 Jahren verschlechtert hat. / Foto: AP
10. Mai 2025

Unter den Ländern des Nahen Ostens steht Iran seit Jahren im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit – vor allem wegen seines Atomprogramms und seiner Netzwerke aus Stellvertretergruppen. Aus Sicht der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Indikatoren befindet sich das Land jedoch derzeit in einer Phase erheblicher Schwierigkeiten. Ein Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Irans in den vergangenen zwei Jahrzehnten zeigt einen kontinuierlichen Abwärtstrend. Dies wirft eine zentrale Frage auf: Was sagen die wirtschaftlichen Kennzahlen – und warum befindet sich das Land auf einem zunehmend problematischen Kurs?

Was sagen die makroökonomischen Indikatoren?

Laut dem Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Oktober 2024 wird Irans Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf rund 434,24 Milliarden US-Dollar geschätzt. Angesichts einer Bevölkerung von fast 90 Millionen und zahlreicher Wohlfahrtsindikatoren verliert diese Zahl jedoch erheblich an Aussagekraft. Im globalen Vergleich liegt Iran beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf nur noch auf Rang 117. Auch im Legatum Prosperity Index – einem Index, der strukturelle Aspekte des Wohlstands erfasst – belegt das Land mit Platz 126 von 167 Staaten einen deutlich schwachen Rang.

Weitere makroökonomische Daten zeichnen ein ähnlich düsteres Bild: Der iranische Rial hat sich in den letzten Jahren stark gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Auf dem Schwarzmarkt überschritt der Wechselkurs 2024 die Marke von 920.000 Rial pro Dollar. Die Inflationsrate lag im selben Jahr bei über 40 Prozent. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen weiter, während der Zugang zu lebenswichtigen Gütern zunehmend eingeschränkt ist. Die offiziellen Statistiken geben an, dass etwa 33 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Unabhängige Schätzungen sprechen sogar von über 50 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 19,4 Prozent; rund die Hälfte der Männer im Alter zwischen 25 und 40 Jahren ist arbeitslos und nicht mehr auf Jobsuche.

Trotz umfangreicher Öl- und Gasreserven befindet sich Iran 2024 in einer schweren Energiekrise. Das Land verzeichnet ein Defizit in der Stromversorgung von rund 14.000 Megawatt – ein erheblicher Teil seiner Gesamtkapazität. In den Wintermonaten konnten etwa 25 Prozent des täglichen Erdgasbedarfs nicht gedeckt werden. Die Industrie ist besonders betroffen und musste Produktionsrückgänge von bis zu 40 Prozent hinnehmen.

Auch die Wasserkrise hat sich verschärft, vor allem in der Hauptstadt Teheran. In den wichtigsten Stauseen der Stadt sind die Wasserstände auf ein kritisches Niveau gesunken – zum Teil auf nur noch 7 Prozent der Gesamtkapazität.

Was sind Irans größte wirtschaftliche Probleme?

Eine der zentralen Herausforderungen der letzten 20 Jahre ist die dauerhaft hohe Inflation. Diese untergräbt nicht nur die Preisstabilität, sondern verschärft auch soziale Ungleichheit und macht wirtschaftliche Planungen unberechenbar. Seit 2007 haben fiskalische Disziplinlosigkeit, eine übermäßige Geldmengenexpansion und gescheiterte Subventionsreformen die Inflation zu einem strukturellen Problem werden lassen. Die internationalen Sanktionen in den 2010er-Jahren verschärften diese Entwicklung zusätzlich. Zwar sorgten die Atomverhandlungen kurzfristig für Stabilität, doch ohne tiefgreifende Reformen blieb eine nachhaltige Erholung aus. Der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen (JCPOA) im Jahr 2018 sowie die schrittweise Abschaffung von Subventionen verschärften die Teuerung weiter. Trotz restriktiver Geldpolitik in den Jahren 2022 und 2023 verharrte die Inflation bei 40 bis 50 Prozent – ein Indiz dafür, dass die Ursachen primär in strukturellen Haushaltsdefiziten und Angebotsengpässen liegen.

Besonders die Preise für Nahrungsmittel, Energie und Wohnraum sind stark gestiegen – mit gravierenden Folgen für die Kaufkraft und soziale Gerechtigkeit. Der Kampf gegen die Inflation ist damit nicht allein eine geldpolitische Frage, sondern erfordert umfassende strukturelle und institutionelle Reformen.

Auch die anhaltende Arbeitslosigkeit trotz einer jungen Bevölkerung stellt ein zentrales Problem dar. Rund 45 Prozent der iranischen Bevölkerung sind zwischen 15 und 34 Jahre alt. Doch der Arbeitsmarkt konnte dieses Potenzial nie angemessen aufnehmen. Während die Bevölkerung um 8,4 Millionen wuchs, blieb der Beschäftigungszuwachs deutlich darunter. Millionen Hochschulabsolventen sind vom formellen Arbeitsmarkt ausgeschlossen – ein enormer Verlust an Humankapital. Trotz hoher Öleinnahmen gelang es Iran nicht, produktive Branchen zu entwickeln. Statt in nachhaltige Beschäftigung wurde in Konsum und in Importe investiert. Der quantitative Ausbau der Hochschulen wurde nicht durch qualitative Anpassungen begleitet – mit dem Ergebnis: Bildungsarbeitslosigkeit.

Langfristig betrachtet offenbart sich zudem eine strukturelle Schwäche im Bereich des Außenhandels. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren verfolgte Iran eine ideologisch motivierte Strategie der wirtschaftlichen Selbstversorgung. Die internationale Integration wurde vernachlässigt – ein Ansatz, der durch die Sanktionen der 2010er-Jahre noch verschärft wurde. Dadurch wurde der Iran vom regionalen Energie- und Logistikmarkt isoliert, seine Industrie blieb von globalem Wettbewerb ausgeschlossen. Technologischer Fortschritt und ausländische Direktinvestitionen blieben aus. Die einseitige Abhängigkeit von wenigen Handelspartnern erhöht die wirtschaftliche Anfälligkeit zusätzlich.

Die Herausforderungen im Außenhandel gehen somit weit über Sanktionen hinaus. Eine erfolgreiche Entwicklungsstrategie müsste auf einer wettbewerbsfähigen, global integrierten Wirtschaftsstruktur basieren – frei von ideologischen Beschränkungen.

Historisch betrachtet war Irans Einbindung in die Weltwirtschaft stets auf Rohölexporte und den Import von Industriegütern beschränkt. Das daraus resultierende kurzsichtige Wirtschaftsmodell konnte kein stabiles Fundament schaffen. Der anhaltende Mangel an Direktinvestitionen hat nicht nur die Integration in internationale Kapitalströme verhindert, sondern auch tiefer liegende strukturelle Defizite offengelegt. Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Priorisierung produktiver Investitionen gegenüber dem Konsum erwiesen sich weitgehend als ineffektiv. Während andere Schwellenländer auf exportgetriebene Industrialisierung und Wachstum setzten, blieb Iran außen vor – auch wegen mangelnder Transparenz, schwacher Eigentumsrechte und unterentwickelter Institutionen. In einer Zeit, in der globale Kapitalströme sich zunehmend diversifizieren, bleibt Iran weitgehend ausgeschlossen. Trotz seines Potenzials gelingt es dem Land nicht, sich als attraktiver Investitionsstandort zu positionieren.

Warum ist Iran zurückgefallen?

Die Gründe für Irans wirtschaftlichen Rückstand liegen nicht nur in äußeren Einflüssen, sondern ebenso in internen Schwächen. Unrealistische Planungen, strukturelle Defizite, politische Unsicherheiten und mangelnde institutionelle Kapazitäten gehören zu den Hauptursachen. Das Land hatte sich ambitionierte Ziele gesetzt – etwa eine Wirtschaft jenseits des Ölsektors und hohe Wachstumsraten im Rahmen einer 20-Jahres-Strategie. Doch es fehlt an der Infrastruktur, um diese Vision zu verwirklichen. Die geringe Attraktivität für ausländische Investoren hängt mit fehlender Transparenz, schwachem Rechtsschutz, eingeschränktem Zugang zu internationalen Finanzsystemen und politischer Instabilität zusammen.

Irans Wirtschaft bleibt stark vom Ölsektor abhängig – und ist damit besonders anfällig für externe Schocks und internationale Sanktionen. Während andere Länder der Region durch Diversifizierung und Stärkung des Privatsektors Fortschritte erzielten, scheiterten Privatisierungen in Iran an Korruption, Rechtsunsicherheit und Managementproblemen. Inflationsdruck, Wechselkursschwankungen und ein unsicheres Investitionsumfeld haben das Vertrauen von in- und ausländischen Investoren weiter geschwächt. Auch das Humankapital konnte nicht effektiv genutzt werden. Bildungsdefizite und die mangelnde Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt führten zu einer massiven Abwanderung qualifizierter Fachkräfte – dem sogenannten Brain Drain.

Sanktionen haben Irans globale Einbindung massiv behindert. Der Ausschluss vom internationalen Finanz- und Handelssystem hat das Land nicht nur von Kapital und Technologie abgeschnitten, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt und Marktchancen minimiert. Die internationale Isolation stellt weiterhin ein zentrales außenpolitisches Hindernis für Irans wirtschaftliche Entwicklung dar.

Irans Anteil am weltweiten Exportvolumen ist auf 0,23 Prozent gefallen. Diverse Indikatoren zeigen, dass das Land wirtschaftlich in einer tiefen Krise steckt. Eine genaue Analyse offenbart vielschichtige strukturelle Ursachen. Politische Stabilität, gute Regierungsführung, rechtliche Transparenz und internationale Kooperation sind Schlüsselfaktoren. Um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden, braucht der Iran tiefgreifende institutionelle und politische Reformen.

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