POLITIK
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Mehr Pragmatismus, weniger Ideologie: Neue Regierung, neue Außenpolitik?
Eurofighter-Entscheidung: Deutschland steht an einem außenpolitischen Wendepunkt. Wird alte Ideologie die Zukunft bestimmen – oder schafft es Berlin, strategische Partnerschaften wie mit Türkiye neu zu denken?
Mehr Pragmatismus, weniger Ideologie: Neue Regierung, neue Außenpolitik?
Mehr Pragmatismus, weniger Ideologie: Neue Regierung, neue Außenpolitik? / Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
vor einem Tag

Manchmal sind es einzelne Entscheidungen, die viel mehr offenbaren, als bloße technische Details vermuten lassen. Die geplante Lieferung von Eurofighter-Kampfflugzeugen an Türkiye ist genau eine solche Entscheidung. Im April 2025 meldete das Handelsblatt, dass die scheidende Bundesregierung aus SPD und Grünen die Lieferung blockiert habe. Doch wenig später folgte die Korrektur: Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums stellte klar, dass keine abschließende Entscheidung getroffen worden sei und die Verantwortung nun bei der neuen Bundesregierung liege.

Was auf den ersten Blick wie eine bürokratische Verzögerung wirkt, offenbart ein grundlegendes Dilemma deutscher Außenpolitik: Bleibt sie weiterhin in innenpolitischen Reflexen und ideologischen Vorbehalten gefangen? Oder wagt sie endlich den Schritt zu einem pragmatischeren, strategischeren Handeln auf internationaler Bühne?
In einer Welt, die immer instabiler wird, sollten alte Reflexe endgültig der Vergangenheit angehören. Gerade jetzt braucht Deutschland verlässliche Partner – und Türkiye gehört zweifellos dazu.

Deutschland braucht eine pragmatische und strategische Außenpolitik

Lange Zeit prägten moralische Appelle und innenpolitische Empfindlichkeiten den deutschen Blick auf Türkiye. Natürlich sind Werte wichtig – doch eine Außenpolitik, die sich ausschließlich an moralischen Kategorien orientiert und strategische Realitäten ausblendet, wird der heutigen Zeit nicht gerecht.

In einer multipolaren Welt, in der geopolitische Rivalitäten zunehmen, braucht Deutschland stabile, verantwortungsbewusste Partner. Türkiye ist ein solcher Partner: als zweitgrößte Armee innerhalb der NATO, als diplomatischer Akteur zwischen Ost und West und als Schutzschild in einer der volatilsten Regionen der Welt.

Eine starke türkische Verteidigungsfähigkeit ist keine Bedrohung für Europa – sie ist ein Gewinn. Die Vorstellung, dass Europa seine Sicherheit ausschließlich auf eigene Kraft stützen könnte, ist illusorisch. Ohne Partner wie Türkiye bleiben europäische Ambitionen Wunschdenken.

Stattdessen braucht es ein neues Denken: Kooperation auf Augenhöhe, Respekt für legitime Sicherheitsinteressen und den Willen, Differenzen durch Dialog und nicht durch Distanz zu bewältigen. Wer europäische Souveränität ernst meint, muss auch die Bündnispolitik ernst nehmen – und dazu gehört Türkiye als unverzichtbarer Akteur.

Türkiye: Stabilitätsträger in einer herausfordernden Welt

Es ist an der Zeit, Türkiye nicht nur durch die Brille vergangener Konflikte zu betrachten. Wer sich die Entwicklungen der letzten Jahre anschaut, erkennt: Türkiye übernimmt internationale Verantwortung – oft dort, wo andere zögern.

Ob bei Missionen in Afghanistan, bei der Unterstützung der Ukraine oder bei der Steuerung von Flüchtlingsbewegungen: Türkiye agiert als Stabilitätsanker. Ihre geostrategische Lage zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten macht sie zu einer Brücke in mehrfacher Hinsicht: politisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch.

Ohne Türkiye wäre die Sicherheitsarchitektur Europas deutlich fragiler.
Europa braucht Partner, die flexibel auf Krisen reagieren können, die in der Lage sind, ihre Interessen selbstständig zu verteidigen und die zugleich bereit sind, Verantwortung im Bündnis zu tragen.

Die immer wieder geäußerte Vorstellung, große europäische Staaten könnten allein die sicherheitspolitische Last tragen, entbehrt jeder realistischen Grundlage. Nur gemeinsam mit starken, verlässlichen Partnern wie Türkiye kann Europa seine Handlungsfähigkeit bewahren.

Pragmatismus statt Ideologie: Deutschlands neue Verantwortung

Deutschland steht an einem außenpolitischen Scheideweg. Die Entscheidung über den Eurofighter-Deal wird zu einem Symbol: Will Deutschland weiterhin von ideologischen Reflexen getrieben werden? Oder ist es bereit, eine Außenpolitik zu entwickeln, die die Realitäten des 21. Jahrhunderts anerkennt?

Eine pragmatische Außenpolitik bedeutet nicht, Werte zu verraten. Es bedeutet, sie klug zu verteidigen – durch starke Partnerschaften, durch Dialog und durch Respekt.
Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit sind keine Floskeln. Sie sind die Basis für Frieden und Wohlstand.

Der Eurofighter-Deal ist mehr als ein Geschäft. Er ist ein Signal an die Partner Europas: Deutschland ist bereit, seine Rolle verantwortungsvoll auszufüllen. Eine Partnerschaft mit Türkiye bedeutet nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch eine Investition in gemeinsame Sicherheit.

Deutschland soll lernen, Türkiye als Teil der Lösung zu sehen – nicht als Teil des Problems. Der Weg dorthin erfordert Mut, einen nüchternen Blick und die Bereitschaft, alte Denkmuster hinter sich zu lassen.

Die Entscheidung über die Eurofighter wird letztlich auch darüber entscheiden, ob Deutschland seine Außenpolitik in einer veränderten Welt neu ausrichtet – oder ob es weiterhin an überholten Reflexen festhält. Die Welt wartet nicht auf Deutschland. Es liegt an uns, ob wir die Zukunft aktiv mitgestalten – gemeinsam mit Partnern, die bereit sind, an unserer Seite zu stehen.

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